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Allgemeine Gleichgewichtstheorie
5.1 Die Positive Theorie
Die Edgeworth-Box

N
ach den eingangs genannten Bedingungen darf die Bezeichnung Allgemeines Gleichgewicht wohl damit begründet werden, dass sich sowohl alle Haushalte als auch alle Unternehmungen im Gleichgewicht befinden, d.h. niemand einen Anlass hat, aufgestellte Pläne zu revidieren. Sind nun alle Haushalte im Gleichgewicht, dann muss zwangsläufig die folgende Aussage wahr sein: Durch den freiwilligen Tausch oder eine angeordnete Umverteilung von Gütern zwischen irgend zwei Haushalten kann nicht eine Situation eintreten, in der es in einem Haushalt zu einem höheren Nutzenniveau kommt, ohne dass der andere Haushalt Nutzeneinbußen hinzunehmen hat. 

Diese Aussage werden wir im folgenden noch näher betrachten. Im Grunde handelt es sich bei ihr um das Pareto-Kriterium, das sich an der Schnittstelle zwischen positiver und normativer Theorie befindet, und dem nun der folgende Exkurs gewidmet ist. 

Mitdenken
Machen Sie sich an dieser Stelle bitte klar, dass es sich beim Pareto-Kriterium um eine Entscheidungsregel handelt. Denken Sie im Lichte dieser Regel über die folgenden Situationen nach:
  1. 1. Ein notorischer Schwarzfahrer wird zu einem Monat Gefängnis verurteilt.
  2. 2. Ein Politiker behauptet: "Wachstum ist die beste Waffe gegen Armut".
  3. 3. Eine Konferenz vereinbart das Prinzip der Einstimmigkeit als Abstimmungsregel.
Exkurs: Das Pareto-Kriterium 

Zur Vereinfachung betrachten wir eine Gesellschaft mit nur zwei Mitgliedern, die wir Konsument und Konsumentin nennen wollen. Will man den Zustand, in dem sich diese Gesellschaft im Moment befindet, auf irgendeine Art und Weise bewerten, so scheint es offenbar angebracht, dabei auf beide Gesellschaftsmitglieder Rücksicht zu nehmen. Aus der Formulierung ("sollte") wird klar, dass es sich bei dieser Art der "Bewertung" um ein Werturteil handelt. Niemand könnte es uns verbieten, es für richtig zu halten, bei der Beurteilung des gesellschaftlichen Zustandes allein den Konsumenten zu berücksichtigen. Gleichwohl darf man davon ausgehen, dass sowohl den Konsumenten als auch die Konsumentin einzubeziehen, wohl von den meisten Menschen akzeptiert wird. Wir gehen noch einen kleinen Schritt weiter und fordern, zwischen den beiden Personen soll bei der Beurteilung des gesellschaftlichen Zustandes kein Unterschied qualitativer oder quantitativer Art gemacht werden, sondern ein Zustand A soll immer dann besser sein als ein Zustand B, wenn es in A mindestens einer der beiden Personen besser geht, ohne dass es der anderen schlechter geht. 

Altkanzler Helmut Kohl in seiner Fernsehansprache zur Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli 1990: "Es wird niemandem schlechter gehen als zuvor, dafür vielen besser."

Zugegeben, das Zitat ist etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Wenn man es aber wörtlich nimmt, versprach Kohl den Bürgern eine Verbesserung nach dem Pareto-Kriterium, die - das war bereits im Moment der Aussage klar - nicht eintreten konnte und nicht eingetreten ist. (Mit anderen Kriterien zur Beurteilung der Wohlfahrt, zum Beispiel dem Kaldor-Hicks-Kriterum, kann man zu anderen Schlüssen kommen.)

Dies ist das

Pareto-Kriterium: In einer Gesellschaft wird ein Zustand A einem Zustand B vorgezogen, wenn mindestens ein Individuum A gegenüber B präferiert und alle anderen wenigstens indifferent sind.

So überzeugend dieses Werturteil klingen mag, so selten ist es für praktische Wirtschaftspolitik relevant (s. Kohl-Zitat). Wohl kaum eine einzige wirtschaftspolitische Entscheidung dürfte es je gegeben haben, die in einer gesamten Gesellschaft ohne Gegenstimme geblieben wäre, hätte man in einer Volksabstimmung über sie urteilen lassen. Nehmen wir an, Konsument und Konsumentin ließen sich nur vom Eigennutz leiten, dann wäre in dieser Modellwelt nach dem Pareto-Kriterium von vornherein jede reine Umverteilungsmaßnahme ausgeschlossen, denn einer der beiden würde durch sie ja auf jeden Fall schlechter gestellt als zuvor. 

Mitdenken
Wie viele pareto-optimale Zustände gibt es?

Tipp: Deken Sie an Robinson und Freitag. Eine größere Gesellschaft (3, 4, 5 ... Personen) ist für die Überlegung nicht notwendig.
Ein Zustand wird pareto-optimal genannt, wenn sich kein anderer Zustand finden lässt, der nach dem Pareto-Kriterium vorzuziehen wäre.